Inspektor Clouseau für den NDR – Fukushima und die deutschen Medien

Ein Internetjournal mit Japanbezug, das dieser Tage nicht über die Katastrophe im Norden der Hauptinsel Honshū berichtet, hat vermutlich einen triftigen Grund dafür. Meiner war: Ich habe keinen blassen Schimmer von Strahlungsgefährlichkeit und weiß auch nicht, wie die Lage im Atomkraftwerk Fukushima I genau aussieht. Daran hat sich bisher auch nichts geändert.

Bin ich also auch kein Atomkraftexperte, so habe ich wenigstens die Möglichkeit, japanische und englische Medien den deutschen hinzuzuziehen, und dabei kamen die deutschen dieses Mal erstaunlich schlecht weg. Kaum eine Zeitung oder ein Bericht wurde veröffentlicht, der nicht durch reißerische Titel das beunruhigende Gefühl vermittelte, die Verfasser wünschten sich die Katastrophe heran. Ich möchte die Male nicht zählen, die ich Meldungen wie »Tokyo vor dem Super-GAU« lesen mußte. Nachrichten aus Japan wurden aufgegriffen und auf die schlimmstmögliche Weise interpretiert, Horrorszenarien entworfen, Japaner als entweder inkompetent oder von eigenartiger Disziplin getrieben beschrieben und darüber hinaus regelrechte Falschmeldungen verbreitet, die bis heute kursieren. Da sich die kritische Diskussion über die deutsche Berichterstattung momentan noch weitgehend japanologie-intern abspielt, möchte ich hier einige Links verbreiten von Menschen, die bereits Vernünftiges zum Thema beigetragen haben.

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Was Sie schon immer über Goethe wissen wollten

Mußte das sein?

Mußte das sein?

Philologe ist kein Beruf, mit dem sich das große Geld machen läßt. Wie viele interessieren sich schon dafür, was Goethe wann zu Eckermann sagte? Wir ahnen: viele werden es nicht sein. Das dachte sich wohl auch Gero von Wilpert – sonst eher für seine umfangreichen Nachschlagewerke zur deutschen Klassik bekannt. Es kann nur geraten werden, was ihn dazu trieb, das Buch Die 101 wichtigsten Fragen: Goethe zu verfassen: Wollte er die Massen erreichen? Hatte er  Informationsabfall, der noch verwertet werden mußte? War er jung und brauchte das Geld?

Von letzterem kann abgesehen werden, obwohl es vielleicht das am leichtesten zu verzeihende wäre. Das reizende und leicht entschuldigende Vorwort des Buches hätte mich fast davon abgehalten, es hier vorzustellen – ich schreibe »vorzustellen«, da hier ein Zitat jegliche Parodie erübrigt. Beginnen wir mit einem Blick in die »Top Ten«, also die laut von Wilpert 10 wichtigsten Fragen an Goethe:

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Der 31. Deutsche Orientalistentag: Vermischtes

Uni Marburg: Genauso unterschiedlich wie das Programm

Uni Marburg: Genauso unterschiedlich wie das Programm

Die Frage, was eigentlich zum »Orient« zähle, ist nicht leicht zu beantworten – wenn man sich die Fächervielfalt des 31. DOTs ansieht, jedenfalls eine ganze Menge: Von Afrikanistik bis Zentralasien war eine ganze Menge Welt vertreten. Daß all diese Fächer dennoch sinnvoll in einem Programm untergebracht werden konnten, ist das Verdienst der Veranstalter der Universität Marburg.

Die Eröffnungsfeierlichkeiten in der Aula der Alten Bibliothek wurden durch eine hervorragende Festrede von Prof. Thomas Bauer (Münster) gekrönt, die ein paar Vorurteile zu dem, was deutschen Medien als »typisch muslimisch« gilt, geradegerückt hat, zugleich aber auch berührte, was alle, die sich intensiv mit fremden Kulturen beschäftigen, Sorgen bereiten muß: Das Mißtrauen und Unverständnis gegenüber Erscheinungsformen anderer Länder, die aus unzureichender Information und allzu viel Lust am schnellen Urteilen herrühren.

Die Vielfalt des DOTs und Größe des Kongresses (über achthundert Teilnehmer) ist lobenswert, wenn auch bald offensichtlich wurde, daß verhältnismäßig wenig Besucher die Chance nutzten, an fachfremden Veranstaltungen teilzunehmen. Die Sinologie und Japanologie waren dieses Mal dennoch recht gut besucht  und die Veranstaltungen zeigten eine weite Bandbreite dessen, was die Fächer zu bieten haben.

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Dialekt und Dichtung – Teil 2

Hat gebabbelt: Johann Wolfgang von Goethe

Hat gebabbelt: Johann Wolfgang von Goethe

Guos Moruos Faust-Übersetzung wird mitunter vorgeworfen, daß Wörter daraus aus dem Heimatdialekt Guos, nämlich der Sprache Sichuans, stammen. Das ist sicherlich keine völlig unbegründete Kritik, beschäftigen sich doch gleich die ersten zwei von Goethes Regeln für Schauspieler eben mit dem Gebrauch von Dialekt auf der Bühne:

Dialekt

§ 1

Wenn mitten in einer tragischen Rede sich ein Provinzialismus eindrängt, so wird die schönste Dichtung verunstaltet und das Gehör des Zuschauers beleidigt. Daher ist das Erste und Notwendigste für den sich bildenden Schauspieler, daß er sich von allen Fehlern des Dialekts befreie und eine vollständige reine Aussprache zu erlangen suche. Kein Provinzialismus taugt auf die Bühne! Dort herrsche nur die reine deutsche Mundart, wie sie durch Geschmack, Kunst und Wissenschaft ausgebildet und  verfeinert worden.

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Vortrag auf dem 31. Deutschen Orientalistentag

Programmheft des diesjährigen DOTs

Programmheft des diesjährigen DOTs

Mittlerweile stehen Datum, Zeit und Ort meines Vortrags auf dem 31. Deutschen Orientalistentag in Marburg fest. Alle Zuhörer sind herzlich willkommen:

Freitag, 24. September 2010

9-10:30 (Block 3)

Wilhelm-Röpke-Str. 6, Raum 03B07

zu meinem Vortrag mit dem Titel »Ich muß es anders übersetzen: Die Faust-Übersetzungen
von Mori Ōgai und Guo Moruo«.

Rätseln mit Goethe

Die Arbeit verwehrt mir momentan längere Einträge, da scheint es genau die richtige Zeit für ein Preisausschreiben. Die schwedische Firma Pictura Graphica brachte 1992 eine Postkarte auf den Markt, die ich seitdem nicht versenden konnte – hatte sich doch ein fabelhafter Übersetzungsfehler hineingeschlichen. Wer ihn findet, bekommt von mir eine Goethesche Weisheit gratis.

Die aufgeklappte Karte birgt das Rätsel:

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Mundart, Dialekt und unlösbare Probleme

Möglicherweise sprechen die abgebildeten drei Herren Dialekt

Möglicherweise sprechen die abgebildeten drei Herren Dialekt

Für junge Menschen scheint alles so einfach.

Gut, das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Manches erscheint geradezu unerreichbar: regelmäßiges Arbeiten, eigene Kinder, oder in meinem Fall die Fahrerlaubnis. Aber zu Beginn grenzenlos ist das Vertrauen darin, daß alles auf der Welt übersetzbar sei. Man liest Bücher und Aufsätze, die hartnäckig erklären, kein Text der Welt sei unübersetzbar, und siehe da, es scheint ganz, als hätten Leute, die etwas für unübersetzbar erklären, einfach nicht die rechte Mühe aufgewendet.

Vielleicht ist es sogar vernünftig, auf die Art an die ersten Übersetzungen heranzugehen – andernfalls hätten wir womöglich weitaus weniger ursprünglich fremdsprachige Literatur in unseren Regalen. Irgendwann aber stößt man an die Grenzen des Übersetzlichen, und ein guter Teil der Übersetzer scheint dann schon leidenschaftlich genug bei der Sache, um trotzdem weiterzumachen. Solche Grenzen zeigen sich in ihrer ganzen Länge und schieren Unüberwindbarkeit beim Versuch, Dialekte zu übersetzen.

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Inoue Hisashi: Der längste Name der Welt

Inoue Hisashi: Fu fu fu

Inoue Hisashi: Fu fu fu

Inoue Hisashis Werk umfaßt eine Reihe kurzer, oft heiterer Essays, von denen ich hier eines vorstellen möchte. Es stammt aus dem Buch Fu fu fu.

Der längste Name der Welt

Wenn ich an einem Roman oder an einem Drama zu arbeiten beginne, dann sind das, was mir oft unerwartet viele Schwierigkeiten bereitet, die Namen für die auftretenden Figuren. Zum Beispiel wäre „Yamada Hanako1 zu einfach und würde umgekehrt einen starken Eindruck vermitteln. Namen wie „Yamada Shizue“2 gefallen mir, aber sind letztlich veraltet. Und dennoch ist „Yamada Asuka“3 zu modern und nimmt alle Kraft.4

In solchen Momenten beneide ich die Schriftsteller aus Myanmar. Dort braucht man keinen Nachnamen. Genauso wie beim Tenno reicht der Vorname aus. Wenn man die schönen Worte Aung San Suu Kyi5 zusammenfügt, wird daraus ein Vorname. Aung bedeutet „Sieg“ oder „Übertreffen“, San heißt „selten“, Suu bedeutet „ansammeln“ und Kyi „rein“.6 Zusammen ergeben sie einen „von in der ganzen Welt seltener Reinheit überströmenden, vortrefflichen Menschen“. Außerordentlich schön.

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  1. 山田花子. Sowohl Yamada als auch Hanako (weiblicher Vorname) sind sehr häufige japanische Namen. Die übliche Reihenfolge, Familienname vor dem Rufnamen, wurde beibehalten. []
  2. 山田静江 (weiblicher Vorname). []
  3. 山田明日香( weiblicher Vorname), besonders beliebt seit 1999, als die Fernsehserie „Asuka“ mit einer Heldin gleichen Namens ausgestrahlt wurde. []
  4. Die Wendung 気合いを入れるbedeutet in etwa: „sich konzentrieren“, „geistige Kräfte aufbringen“. In diesem Zusammenhang ist sie eher ungewöhnlich. Statt „nimmt einem alle Kraft“ wäre auch eine Paraphrase denkbar, beispielsweise: „und deshalb nicht so eindrucksvoll/eindringlich“. []
  5. Politikerin aus Myanmar, 1945, erhielt 1991 den Friedensnobelpreis, lebt seit vielen Jahre in Gefangenschaft bzw. Hausarrest. Die Umschrift des Namens im Originaltext wird mit dem Katakana-Silbenalphabet vorgenommen: アウンサンスーチー (Romaji: Aunsansūchī). []
  6. In Myanmar werden Namen häufig gebildet, indem man seine Wünsche für die Kinder aneinander reiht. Auch ist es sehr leicht möglich, den eigenen Namen zu ändern und eigene Hoffnungen oder Vorstellungen einfließen zu lassen. []

Drum prüfe, wer etwas zitieret…

Franz Stassen: Faust in der Szene "Nacht"

Franz Stassen: Faust in der Szene “Nacht”

GUO Moruo ist, vorsichtig ausgedrückt, eine ambivalent wahrgenommene Gestalt der chinesischen Geschichte. Das hat ganz verschiedene Gründe, sei es Guos Mitgliedschaft in der KPCh, seine Rolle in der Kulturpolitik, die Untreue zu seiner ersten, von seinen Eltern vermittelten Frau – die Liste läßt sich fortführen. Ärgerlich wird es, wenn die einmal gefaßte Abneigung in der Beurteilung seines literarischen oder wissenschaftlichen Schaffens durchschimmert.

Ein solches Gefühl überkam mich, als ich Adrian HSIAs Aufsatz „Goethes Faust in vier chinesischen Übersetzungen“ (in: Zur Rezeption von Goethes “Faust” in Ostasien, Hg. A. Hsia u. S. Hoefert, Bern 1993) in die Hand bekam. Dort ist zu lesen:

[Guo] sagt ebenfalls, daß Franz Staffens Illustrationen zum deutschen Faust, herausgegeben von Ludwig Schroeter, eine große Hilfe für ihn gewesen seien, das Werk zu begreifen. Diese Feststellung zwingt zur Nachdenklichkeit, inwiefern ein solches Verständnis handfest sein kann.

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Goethe – aktuell wie eh und je

Goethe – ein Hans Dampf in allen Gassen, hier zum Beispiel in der guten alten Handyzentrale. Dazu passend: der liebevoll gestaltete Schriftzug des Goethe-Hotels. In München wird die Tradition eben nicht nur gepflegt, sondern der  Zeit angepaßt!

Immer die Nase im Wind: Das Goethe-Hotel und die Goethe-Handyzentrale in München

Immer die Nase im Wind: Das Goethe-Hotel und die Goethe-Handyzentrale in München