GUŌ Mòruò wurde 1892 unter dem Namen Guō Kāizhēn (郭开贞) in einer wohlhabenden Familie in Sichuan geboren. Schon früh begann er, sich für Pantheismus zu interessieren, namentlich für die Ideen des Philosophen Zhuangzi. Nach einer traditionellen, jedoch von Umbrüchen geprägten Ausbildung wurde er mit einer ihm bis dato Unbekannten durch seine Familie in einer arrangierten Hochzeit (包办婚姻 baōbàn hūnyīn) verheiratet. Enttäuscht von seiner Familie, aber auch vor allem von sich selbst, weil er sich wider besseren Wissens auf eine arrangierte Ehe eingelassen hatte, reiste Guō schon wenige Tage später ab und gelangte über verschiedene Zwischenschritte schließlich 1913 nach Japan, wo er ein Medizinstudium begann. Dort lernte er im Sommer 1916 die Japanerin SATŌ Tomiko (佐藤富子), genannt Anna, kennen, die selbst vor einer arrangierten Ehe nach Tokyo geflüchtet war. Sie hatten in den 20 Jahren, die sie zusammen waren, fünf Kinder; die Ehe wurde jedoch von beiden Familien nie akzeptiert.
In Japan war er mit dem naturwissenschaftlichen Teil seines Studiums unglücklich, lernte aber Deutsch, Englisch und Latein und hatte im Deutschunterricht die ersten Kontakte mit Goethe, insbesondere mit „Dichtung und Wahrheit“. Etwa 1918 hat er Werther gelesen und daran gedacht, den Roman zu übersetzen. Im Sommer 1919 begann er die ersten Faust-Übersetzungen, die er bei seinen Besuchen in Shanghai anfertigte. In dieser Zeit schrieb er auch das erste Mal ernsthaft an eigenen Werken und begann, mit seinen Übersetzungen seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Sein in freien Versen geschriebener Gedichtband Göttinnen (女神 nüshén), veröffentlicht 1921, gilt als der Durchbruch einer neuen Lyrik in China.
Mit seinen zwei Freunden TIÁN Shoùchāng (田寿昌, auch bekannt als Tián Hàn 田汉) und ZŌNG Báihuá 宗白华 verfaßte er eine Briefsammlung mit dem Namen Kleeblatt ( 三葉集 Sānyèjí), in der vor allem Goethe und insbesondere der Konflikt zwischen dem westlichen Konzept der freien romantischen Liebe und der chinesischen Tradition der arrangierten Hochzeit diskutiert wurde.
In der „Schöpfungsgesellschaft“, eine der wichtigsten Literaturgruppen der 4.-Mai-Bewegung, die er zusammen mit CHÉNG Făngwú (成仿吾), YÙ Dáfū (郁达夫) und ZHĀNG Zīpíng (张资平) gründete, gab er verschiedene Werke heraus, so auch den Werther, der ein durchschlagender Erfolg war und Guō über Nacht berühmt machte.
Am 1. April 1924 brach er nach Japan auf, in der Absicht, sein Leben den Naturwissenschaften zu widmen und nie zurück zu kehren. 1924 übersetzte dort er das Buch „Social Organization and Social Revolution“ des japanischen Marxisten KAWAKAMI Hajime (河上肇) und wurde dabei, wie er schreibt, selbst Marxist.
1923 kehrte er mit Satō Tomiko und seinen Kindern zurück nach China und wurde 1926 als politischer Kommissar aktiv in der Absicht, die Warlords zu zerschlagen und China zu vereinigen. Nach dem Scheitern des Nanchang-Aufstandes, an dem Guō teilnahm, ging er wieder nach Japan. Durch den Kriegsausbruch mußte er jedoch 1937 nach China zurückkehren. Er gründete die Widerstandsgesellschaft der Kunst- und Literaturschaffenden und erhielt eine Stellung als Leiter der Propagandaabteilung. Von da an hatte er verschiedene wichtige politische Posten inne, u. a. als Präsident der chinesischen Akademie der Wissenschaften und als Mitglied im Zentralkomitee der KPCh. In der Kulturrevolution wurde er zwar kritisiert, behielt aber seine Posten bei. Guō Mòruò starb 1978.
Sehr geehrte Frau Dr. Bartels,
haben Sie vielen Dank für Ihre umfangreiche Rechercheergebnisse zu Guo Moruo, die mir bei den meinigen sehr weiterhelfen! Ich bin jedoch ein wenig irritiert, dass Guo laut Ihres fünften Abschnittes der Biographie im Jahr 1924 nach Japan reiste. Meinen Sie vielleicht doch das Jahr 1914? Dann würden sich unsere Ergebnisse decken.
Mit freundlichen Grüßen,
Kolja Quakernack
(aus der Sinologie der WWU Münster)
Sehr geehrter Herr Quakernack,
die Reise 1924 ist meines Wissens die zweite Reise Go Moruos. 1914 war er das erste Mal in Japan.
Herzliche Grüße nach Münster!
Nora Bartels
Sehr geehrte Frau Dr. Bartels,
Vielen Dank für diese einleuchtende Erklärung. Auf das Naheliegendste bin ich dann doch nicht gekommen…
Viele Grüße,
Kolja Quakernack