Vom Vermeidenswerten

Dieter E. Zimmer: Redens Arten

Dieter E. Zimmer: Redens Arten

Bevor man mit einer Übersetzung beginnt, kann es nicht schaden, wenn man sich einmal umsieht, was zur Technik des Übersetzens verfaßt worden ist – schon aber steht man im Bücherwald und weiß nicht ein noch aus. Einen amüsanten Einstieg in die häufigsten Fehler, die beim Übersetzen unterlaufen können, findet sich im Aufsatz „Wettbewerb der Übersetzer. Die einstweilige Unentbehrlichkeit des Humantranslators“ aus Dieter E. Zimmers Essayband Redens Arten.

Der Essay, ursprünglich erschienen in der Zeit im Jahre 1965, behandelt anhand einer unterhaltsamen Anekdote – dem Umstand, das Zimmer 620 Übersetzungen einer Prosaskizze von Graham Greene lesen und die beste auswählen mußte – die 16 häufigsten Probleme,  die beim Übersetzen auftreten können. Dieter E. Zimmer ist selbst Übersetzer und hat unter anderem viele Werke Nabokovs aus dem Englischen ins Deutsche übertragen, so daß er auch seine eigenen Erfahrungen in den Aufsatz einfließen lassen konnte – seine These dabei ist, daß Übersetzungstheorien beim Übersetzen nicht helfen können – statt dessen bietet er einen Leitfaden dafür, was unbedingt zu Vermeiden sei.

Viele der Punkte sollten selbstverständlich sein, aber es ist doch das ein oder andere dabei, daß so klar auf den Punkt gebracht erleuchtend sein kann. Mit dem Wort „Tiefenvermutung“ beschreibt er das häufig auftretende Problem, daß Verständnisbemühungen der Übersetzer früh aufgegeben werden, weil vermutet wird, der Text sei absichtlich dunkel und undurchdringlich geschrieben. Ähnlich geartet ist die „Originalitätsvermutung“: Aufgrund mangelhafter Kenntnis der Ausgangssprache wird bei einem geläufigen Bild oder Ausdruck angenommen, es sei eine besondere Erfindung des Autoren, wodurch es wiederum mit einer phantasievollen Entsprechung in der Zielsprache wiedergegeben wird – um nur zwei von Zimmers Einträgen aus dem „klein Register von Schulschnitzern“ aufzuführen.

Auch seine prägnanten Bemerkungen zum Thema „Wirkungsäquivalenz“ sind lesenswert, wenn auch nicht neu. Weniger passend ist da der aus dem sonst einheitlich gestalteten Text herausfallende Teil zum Thema Computerübersetzungen, der auch für den etwas ungelenk erscheinenden, den Titel keineswegs näher erläuternden Untertitel verantwortlich ist. Neben dem verzeihlichen Umstand, daß dessen Inhalt mittlerweile teilweise veraltet ist, trägt er auch wenig zur Vermittlung von Übersetzungstechnik bei und ist allzu deplaziert eingefügt. Der aber durchaus lesenswerte Aufsatz schließt mit einer Gegenüberstellung des Originals der Prosaskizze von Greene mit einer Zusammenstellung der aberwitzigsten Übersetzungseinsendungen, die gemeinsam einen sehr unterhaltsamen Text ergeben, den wohl kein einzelner Mensch in der Lage wäre, allein zu verbrechen.

Dieter E. Zimmers: Redens Arten. Über Trends und Tollheiten im neudeutschen Sprachgebrauch, Haffmans Verlag, Zürich 1986